Reden wir hier von den Kontrolleurinnen und Kontrolleuren? So einfach ist es mit der Metapher Jagende/Gejagte nicht. Einige Fahrgäste werden unwillentlich zu Schwarzfahrenden, wenn sie vergessen haben, eine Fahrkarte zu kaufen oder nicht wissen, wie sie diese abstempeln sollen. Wie reagieren Fahrkartenkontrolleurinnen und -kontrolleure, wenn sie solch einen vergesslichen oder unwissenden Fahrgast erwischen? Um das herauszufinden, hat die Anthropologin Indra Lukosiene Kontrollpersonen bei ihrer alltäglichen Arbeit in Kaunas begleitet.
In Kaunas, der zweitgrößten Stadt Litauens, sind die Kontrollpersonen immer zu zweit unterwegs. Dabei schaffen sie ungefähr 80 Fahrzeuge pro Tag. Wer ohne Fahrschein erwischt wird, wird von ihnen gebeten, zu ihrem Minibus mitzukommen. Trotz strenger Regeln im öffentlichen Nahverkehr lassen sie Milde walten: Wer irrtümlich keine Fahrkarte gekauft hat oder sie wegen eines Automatendefekts nicht kaufen konnte, darf wieder gehen. Sehen sich die Kontrollpersonen jedoch Drohungen und Gewalt gegenüber, so rufen sie die Polizei, damit diese für Ordnung sorgt. Wer in einer sozial diversen Umgebung wie dem öffentlichen Personennahverkehr arbeitet, entwickelt eine gewisse Flexibilität: Kontrollpersonen sind oft geneigt, zuzuhören und zu helfen, statt auf strikter Anwendung der Regeln zu beharren und die Erwischten zu bestrafen.
Anthropologin an der Vytautas-Magnus-Universität in Kaunas, Litauen.
Anthropologin an der Vytautas-Magnus-Universität in Kaunas, Litauen.